Die Unternehmenskrise – Der typische Verlauf!
Teil 1: Die Phasen jeder Unternehmenskrise
Unternehmenskrise, ihr Verlauf, die Anzeichen und die Ursachen – wir möchten Sie dafür sensibilisieren, sich Ihr Unternehmen und die Entwicklung regelmäßig mit kritischem Blick anzuschauen und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um in der Erfolgsspur zu bleiben.
Eine Unternehmenskrise wird vielfach vom Unternehmer erst als solche erkannt, wenn sie bereits existenzbedrohend ist, sprich wenn die Liquidität nicht mehr ausreicht, um fällige Lieferanten- oder Kreditverbindlichkeiten zu begleichen. Erst dann werden in vielen Fällen externe Berater hinzugezogen.
Dabei beginnt die Unternehmenskrise viel früher. Ungeachtet der Ursachen, nimmt die Krise grundsätzlich den gleichen Verlauf – man spricht vom Phasenmodell.
Überblick über die verschiedenen Phasen einer Unternehmenskrise
Stakeholderkrise
Am wenigsten Beachtung finden bei Außenstehenden meist Konflikte auf Gesellschafter- bzw. Geschäftsführungsebene oder auch mit Arbeitnehmern – entweder wichtigen einzelnen Mitarbeitern oder auch Arbeitnehmergruppen. Dem Unternehmen geht es in dieser Zeit gut, von einer kritischen Unternehmenssituation ist für Geschäftspartner und Lieferanten nichts zu spüren. Aber genau hier nimmt die Unternehmenskrise vor allem bei Mittelständlern ihren Anfang. Gesellschafter beziehen unterschiedliche Positionen hinsichtlich der zukünftigen Strategie und erforderlicher Maßnahmen oder die Besetzung der Geschäftsführung.
Wichtige Richtungsentscheidungen werden hierdurch blockiert und daraus resultierende negative Entwicklungen oftmals bewusst akzeptiert. Können derartige Konflikte nicht gelöst werden, kann sich aus solchen Konfliktsituationen eine Strategiekrise entwickeln. Ein Beispiel für Konflikte auf Gesellschafterebene sind die Brüder Dassler, aus denen letztlich die Weltfirmen Adidas und Puma hervorgingen oder in jüngerer Vergangenheit die Bahlsen-Familie, in der es nach vielen Rechtstreiten zu einer Teilung des Geschäfts kam. Ebenso kann zum Beispiel die Blockade des Hauptlieferanten (aus Wettbewerbsgründen oder Preisunstimmigkeiten – Beispiele gibt es hier im Automobil-und Mobilfunkbereich) den Beginn einer Krise markieren.
Strategiekrise
Strategiedefizite treffen auch kleine Unternehmen. Ein übergeordnetes Unternehmensziel bzw. eine Vision fehlen, irgendwo im Tagesgeschäft ist die Kunden- und Wettbewerbsorientierung abhanden gekommen. „Meine Produkte haben sich doch immer gut verkauft“ – richtig, aber die Wettbewerber haben dies auch erkannt. Selbst wenn der Unternehmer eine langfristige Strategie definiert hat, ist eine regelmäßige kritische Prüfung und eventuelle Anpassung im Zeitablauf von entscheidender Bedeutung, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Das Konsumentenverhalten ändert sich in immer kürzeren Abständen; dies erfordert die laufende Prüfung der bestehenden Positionierung bei den Kunden und des bestehenden Produktportfolios sowie der für das Unternehmen relevanten wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Unterbleibt eine solche aktive Analyse und gegebenenfalls Anpassung an Marktveränderungen, so kann das Unternehmen bei intensivem Wettbewerbsdruck in eine schwierige Situation bis hin zu einer existenzbedrohenden Krise geraten. Im Modehandel wird dies besonders deutlich: Traditionelle Mode-Einzelhändler suchen zum Beispiel die „richtige“ Strategie, um sich gegen vertikal aufgestellte Wettbewerber durchzusetzen, die hinsichtlich der Wertschöpfungskette neben dem Handel auch die Produktion der Modeartikel abdecken. Diese Anbieter können auf ändernde Kundennachfrage kurzfristig mit der Platzierung entsprechender Modekollektionen reagieren.
Ein weiteres Beispiel: Viele stationäre Einzelhändler - nicht nur aus dem Modebereich- haben zu spät auf den wachsenden Erfolg der Online-Händler, allen voran Amazon und Zalando, mit einer Anpassung ihrer Vertriebsstrategie reagiert. Die Insolvenz von Modefilialisten, die noch vor wenigen Jahren führend im Markt waren (zum Beispiel Gerry Weber) verdeutlichen das Erfordernis, frühzeitig und regelmäßig die bestehende Positionierung und Unternehmensstrategie zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang sind schließlich auch die großen Warenhäuser in Deutschland zu nennen – diese Anbieter sind dabei, ihr Geschäftskonzept grundlegend neu auszurichten, unterstützt durch Zusammenschlüsse (zum Beispiel Karstadt / Kaufhof).
Die Strategiekrise trifft Unternehmen aufgrund der deutlich gestiegenen Dynamik in der Veränderung des Konsumentenverhaltens, nicht zuletzt in Verbindung mit technische Innovationen und der ausgeprägten globalen Vernetzung in immer kürzeren zeitlichen Abständen. Besonders sichtbar wird diese Phase der Unternehmenskrise im Technologiebereich. Technologische Weiterentwicklungen werden verpasst (zum Beispiel die Entwicklung des Smartphone von Nokia) oder Wettbewerbsvorteile gehen verloren (zum Beispiel die Designführerschaft von Loewe nach Markteinführung der Flachbildschirme). Der in der Vergangenheit sehr erfolgreiche deutsche Hersteller Loewe konnte 2019 ein Insolvenzverfahren nicht mehr abwenden.
Viele Unternehmen handeln in dieser Phase noch nicht, weil sie die strategischen Herausforderungen zu spät erkennen. Es werden zunächst ja noch Gewinne erwirtschaftet. Aber ohne regelmäßige Reflexion der eigenen Strategie und Positionierung, ohne neue Ideen und Konzepte mündet die Strategiekrise unweigerlich in einer …
Produkt– und Absatzkrise
Sie ist direkte Folge einer nicht mehr zeitgemäßen oder nicht existenten Unternehmensstrategie. Falsche Positionierung und ein nicht (mehr) nachfragegerechtes Produktportfolio führen über eine geringere Kundennachfrage zu sinkenden Umsätzen. Immer mehr Ware wird auf Lager produziert, immer mehr Kapital wird hierfür gebunden. Die Maschinen werden nicht mehr ausreichend ausgelastet. Spätestens jetzt sind Strategie- und Produktanpassungen notwendig! Aber auch hier reagieren viele Unternehmer noch nach dem Vogel-Strauß-Prinzip und vermuten nur eine kleine Umsatzdelle.
Erfolgskrise
Mit der Erfolgskrise und einer nachhaltig negativen Umsatzentwicklung ist die Unternehmenskrise endgültig in der Gewinn- und Verlustrechnung angekommen – und in der akuten Phase. Auch für die finanzierenden Banken werden die Probleme sichtbar. Die eingeleiteten Gegenmaßnahmen werden zunächst auf die Kostenseite konzentriert, das heißt der Unternehmer reagiert zumeist mit einem umfassenden Kostensenkungsprogramm. Mitarbeiter werden entlassen und Marketingaufwand deutlich reduziert, die Einsparungen können die weiteren rückläufigen Umsätze aber vielfach kaum kompensieren. Der Cash Flow sinkt deutlich, die Eigenkapitalbasis wird langsam aufgezehrt. Das Unternehmen braucht neue Liquidität. In dieser Situation besteht die Herausforderung darin, die Hausbank davon zu überzeugen, weitere finanzielle Mittel bereitzustellen. Dies ist häufig die Phase der Unternehmenskrise, in der der Druck so groß ist, dass erstmalig externe Berater hinzugezogen werden um ein entsprechendes Konzept (auch für die Banken) zu erarbeiten, mit dem das Unternehmen umsatz- und ergebnisseitig stabilisiert werden kann und zurück auf die Erfolgsspur findet.
Aber: Bei allen Kostensenkungsprogrammen gilt – ohne Ankurbelung des Absatzes wird nur das Sterben des Unternehmens verzögert. Irgendwann sind alle Kosten optimiert. Und das rettende zukunftsfähige Produkt, der umsatzstarke Neukunde oder der Absatzdurchbruch fehlen weiter. Daher mündet diese Krisenphase unweigerlich in der …
Liquiditätskrise
Gelingt es nicht, die Umsatz- und insbesondere Ergebnisentwicklung des Unternehmens zu stabilisieren, wird die Kapitalbasis sukzessive aufgezehrt und erhält das Unternehmen von externer Seite keine ausreichende Liquidität zur Umsetzung eines Restrukturierungskonzepts bereitgestellt, so wird sich das Unternehmen letztlich einer Liquiditätskrise gegenüber sehen – der akutesten Unternehmensbedrohung. In der Liquiditätskrise sind die Kreditlinien ausgeschöpft, Mahnungen oder sogar Pfändungen häufen sich. Zahlungen erfolgen durch das Unternehmen nur noch an besonders kritische Lieferanten (nach der sogenannten „Meckerliste“) zur Vermeidung eines Lieferstopps. In der Bilanz spiegelt sich die Krise in einem massiven Anstieg der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Stellen wesentliche Lieferanten die Belieferung ein, orientieren sich auch die letzten treuen Kunden neu. Das Management des Unternehmens erfolgt nur noch „auf Sicht“ mit dem Ziel (Finanz-)Löcher zu stopfen (im Rahmen des sogenannten „Chaosmanagements“). Einzelne Unternehmer sagten uns in dieser Phase, sie fühlten sich „wie in einem Hamsterrad“. Der Ausweg fehlt. Und es endet ohne Gegenmaßnahmen häufig in der …
Insolvenzreife
Die Bezeichnung Unternehmenskrise trifft es schon nicht mehr, wenn Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten sind. Ab dem Insolvenzantrag, der spätestens 21 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Zeitpunkt, wenn ein Unternehmen nicht mehr alle fälligen Forderungen zahlen kann) eingereicht werden muss, liegt das Schicksal des Unternehmens in der Regel nicht mehr in der Hand des Unternehmers.
Zusammenfassend gilt es festzuhalten: Alle Phasen einer Unternehmenskrise sind miteinander verflochten. Je früher die Krise erkannt wird und die Ursachenforschung beginnt, umso besser ist die Ausgangsposition für die Definition und Umsetzung von Gegenmaßnahmen um die Unternehmenskrise zu überwinden.
Teil 2: Krisenursachen
In Teil 3 lesen Sie über Krisenanzeichen.
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